Union-Präsident Dirk Zingler im Interview mit dem rbb Sportplatz
Dirk Zingler äußerte sich in der rbb-Sendung "Sportplatz" zu der Entscheidung des 1. FC Union Berlin, die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Uwe Neuhaus nach Saisonende zu beenden. Das Gespräch führte Jörg Hellwig:
Dirk Zingler, die Ankündigung der Trennung von Uwe Neuhaus zum Saisonende ist zweifelsohne ein Paukenschlag. Warum gerade an diesem Wochenende, warum gerade jetzt?
Die Entscheidung stand in dieser Woche fest und eine ganz wichtige Voraussetzung zwischen uns und Uwe Neuhaus war immer Ehrlichkeit. Ich möchte nicht drei, vier, fünf Wochen nebeneinander her laufen und dann nicht ehrlich sein können. Deshalb war uns klar, dass wir unmittelbar nach unserer Entscheidung Uwe Neuhaus informieren.
War der Beschluss eine Folge der Niederlagenserie zuletzt, oder ist er schon länger gereift?
Wir analysieren im Präsidium monatlich im Rahmen der Präsidiumssitzungen die sportliche Situation. Das machen wir mal mit der sportlichen Leitung gemeinsam, das machen wir auch mal ohne die sportliche Leitung, so dass wir uns in einem ständigen Prozess befinden und so eine Entscheidung ja reift.
Nein, es hat nichts mit der Niederlagenserie zu tun, weil es ja letzten Endes für uns nicht unbedingt darauf ankommt, ob wir nun Fünfter, Sechster oder Neunter sind, sondern für uns kommt es darauf an, dass wir immer das Gefühl haben, dass das Maximum aus unseren Möglichkeiten erzielt wird. Deshalb haben wir uns mit den Gedanken über die nächste Saison getragen - welche Chancen hat man, welche Möglichkeiten hat man, Situationen zu verbessern – und sind am Ende zu der Entscheidung gekommen, dass wir einen insbesondere mentalen und emotionalen Neustart brauchen. In der Profiabteilung und im gesamten Verein. Und wir haben abgewogen, ob mit dem einem neuen Trainer, ob mit dem alten Trainer, wie hoch sind die Chancen, wie hoch sind die Risiken und haben uns dann letztlich entschieden, in die neue Saison mit einem neuen Cheftrainer zu starten.
Es ist also nichts Konkretes vorgefallen, es ist eher Entfremdung. Wie in einer Ehe, das verflixte siebente Jahr?
Ich würde von Entfremdung nicht sprechen. Ich glaube auch, wenn wir zurückschauen sollten wir sowieso nicht auf die letzten sechs oder zwölf Monate zurückschauen. Wenn wir zurückschauen, schauen wir, was die Zusammenarbeit mit Uwe Neuhaus betrifft, auf sieben Jahre zurück und das waren sieben sehr, sehr gute Jahre.
Wir haben Uwe Neuhaus unheimlich viel zu verdanken und von Entfremdung würde ich nicht sprechen. Wir haben sieben gute Jahre gehabt und glauben jetzt, durch eine neue Atmosphäre, durch neue Impulse insgesamt im Verein auch besser werden zu können.
Sie haben mal gesagt, Sie würden mit Uwe Neuhaus auch in die 3. Liga gehen. Heißt das im Umkehrschluss, Sie trauen ihm die 1. Liga nicht zu?
Nein. Ich möchte sowieso gar nicht so viel über Uwe Neuhaus und seine Arbeitsweisen reden. Wir haben noch drei wichtige Spiele, morgen ist das erste. Uwe Neuhaus hat unser vollstes Vertrauen bis zum Ende der Saison. Wir haben uns beide auch in die Hand versprochen, dass wir dort sehr respektvoll miteinander umgehen. Auch das war einer der wesentlichen Gründe: Ich möchte, dass Uwe Neuhaus hier wirklich gut verabschiedet wird im Verein. Dass die Menschen, die ihn mögen und die ihm viel zu verdanken haben, auch die Möglichkeit haben, sich zu verabschieden. Und nicht, dass man nach einer Saison, wenn alle weg sind, plötzlich mitteilt, der alte Trainer ist weg. Wir wollen ihm auch persönlich die Möglichkeit geben, sich hier zu verabschieden und den Menschen im Verein die Möglichkeit geben, ihn zu verabschieden. Noch ist er da, er hat die Mannschaft einzustellen und deshalb konzentrieren wir uns auf die nächsten drei Spiele.
Wie hat er auf die Nachricht reagiert?
Genauso sachlich und gefasst, wie unsere Zusammenarbeit in den letzten Jahren auch war. Natürlich auch enttäuscht. Enttäuscht sind wir, wenn ich ehrlich bin, alle ein bisschen. Auch ich bin im Grunde genommen einen Tick weit traurig, weil: Diese sieben Jahre, die schüttelt man nicht einfach so ab. Diese sieben Jahre haben uns unheimlich weit gebracht als Verein und da hat Uwe Neuhaus eine große Aktie dran. Deshalb verstehe ich jeden, der erstmal auch ein bisschen in sich gehen muss. Und ich glaube, jeder, der sich jetzt Gedanken machen muss um den Verein, macht das ja aus Sorge um den Verein und der eine drückt das so aus, der andere anders. Wir sind beide damit sehr professionell umgegangen.
Und die Mannschaft? Hatten Sie den Eindruck, dass die Spieler zuletzt hundertprozentig hinter dem Trainer standen?
Das denke ich schon, ja.
Der Vertrag mit Uwe Neuhaus wurde ja vor nicht allzu langer bis 2016 verlängert, d.h. es könnte eine teure Sache für den Verein werden. Oder werden wir möglicherweise in den nächsten Wochen überrascht von der Unterschrift von Uwe Neuhaus bei einem anderen Verein? Kann das passieren?
Das weiß ich nicht, das ist ja die Entscheidung von Uwe Neuhaus. Wir treffen seit Jahren Vorsorge. Wenn wir langfristige Verträge abschließen und diese Verträge aufkündigen müssen, aus welchen Gründen auch immer, wissen wir im Vorfeld, bevor wir Verträge aufkündigen, was es wirtschaftlich bedeutet.
Baris Özbek und Adam Nemec – Stichwort Verträge – ihnen ist nahegelegt worden, den Verein zu verlassen. Ist diese Entscheidung hinfällig mit der Ankündigung, dass Uwe Neuhaus zum Saisonende geht?
Nein, ist sie nicht, denn solche Entscheidungen, die über eine sportliche Note hinausgehen, die also auch wirtschaftliche Auswirkungen haben, werden dann selbstverständlich auch nur mit Zustimmung des Präsidiums getroffen. Auch diese Entscheidung für diese beiden Spieler ist gemeinsam getroffen worden, wie viele, viele andere Entscheidungen auch gemeinsam getroffen werden im Verein.
Hat der 1. FC Union schon einen Nachfolger auf dem Posten des Cheftrainers im Blick, oder parat?
Natürlich haben wir Nachfolger im Blick. Aber das gehört auch zu dem gegenseitigen Respekt: Ich hätte es mir persönlich nicht verziehen, ich hätte nicht mehr in den Spiegel schauen können, wenn ich ohne Uwe Neuhaus darüber zu informieren, dass wir die Zusammenarbeit beenden, schon vorher mit anderen Trainern gesprochen hätte. Das gibt es bei uns nicht und deshalb werden wir mit diesen Gesprächen jetzt natürlich unmittelbar beginnen, weil wir auch keine Zeit verlieren wollen. Aber als erstes sollte Uwe Neuhaus selbst und als zweites die Mannschaft informiert werden und jetzt beginnt die Ansprache von neuen Trainern.
Wir sieht das Anforderungsprofil an den Neuen aus? Ist das eher in Richtung eines erfahrenen, bundesligaerprobten Coaches zu sehen, oder vielleicht einer der vielen jungen, wilden Trainer mit neuen Ideen?
Fußballlehrer sind sie ja alle. Ich glaube, dass wir keine schlechten Trainer mehr haben in der 1. oder 2. Liga, auch nicht in der 3. Liga. Es muss ein Trainer sein, der gut zu uns passt, der auch ein bisschen den Geruch des Vereins aufnehmen kann. Der auch aus Mitteln, die wir ihm zur Verfügung stellen – was Uwe Neuhaus übrigens jahrelang gut gelungen ist - das Maximum herausholt. Das geht aber nur, wenn man eine gewisse Mentalität mitbringt, wenn man, wie gesagt, den Geruch des Vereins aufnimmt, wenn man die Menschen mitnimmt auf diesem Weg, insbesondere unsere Mitglieder, unsere Zuschauer. Wenn die Menschen verstehen, was wir wollen in der Vereinsführung, was der Sport will, wo der Sport hin will.
Wir wollen nicht das Tempo erhöhen. Ich werde keinen Trainer holen, der jetzt mit aller Macht in die Bundesliga möchte, weil das auch nicht unser eigenes Ziel ist. Sondern wir wollen jeden Schritt, den wir gehen, gemeinsam gehen, deshalb ist Mentalität und Emotionalität ganz wichtig. Das wird ein wesentlicher Punkt sein bei der Suche nach einem neuen Cheftrainer.
Also war zum Beispiel die Anwesenheit eines Thomas Brdaric auf der Tribüne gegen Cottbus hier an der Alten Försterei Zufall.
Ich wusste nicht, dass er da war.
Wird es weitere Veränderungen im sportlichen Führungsstab geben – bleiben die Assistenten von Uwe Neuhaus, die Co-Trainer? Wird es vielleicht perspektivisch den Posten eines Sportdirektors bei Union wieder geben?
Nein, den wird es nicht geben. Wir sind mit der Struktur, die wir seit einigen Jahren fahren, sehr erfolgreich gewesen. Wir glauben auch, dass diese Struktur, die wir haben, sehr gut zu uns passt. Ich glaube, in jedem Fußballverein trifft am Ende der Cheftrainer die Entscheidung, wen er spielen lässt, wer verpflichtet wird, wie trainiert wird.
Entscheidend ist, dass man ein Team von Fachleuten hat, mit denen man sich austauschen kann, mit denen man sich reiben kann. Aber am Ende muss immer einer die Entscheidung treffen und das ist in jedem Verein der Cheftrainer. Wir haben bei Verpflichtungen ein gutes Team, mit Theo Gries, der im Scouting verantwortlich ist, mit André Hofschneider, mit dem jeweiligen Cheftrainer, mit der Scoutingabteilung. Das sind alles Menschen, die eine hohe sportliche Kompetenz besitzen. Wir haben mit Oskar Kosche im erweiterten Präsidium einen ehemaligen Spieler, der auch Erfahrungen mitbringt. Wir haben eine Menge sportliche Kompetenz. Und ich glaube, dass es eine Frage der Mischung ist. Sportliche Entscheidungen sind ja heute nicht mehr reine sportliche Entscheidungen, sondern es sind öffentliche Entscheidungen, es sind wirtschaftliche Entscheidungen. Es sind auch persönliche Entscheidungen, also Charakterfragen, Persönlichkeitsanalysen von Spielern und Menschen, die wir einstellen. Es geht also weit über die sportliche Beurteilung hinaus heute.
Wir haben im Verein vier Fußballehrer und die arbeiten sehr eng zusammen, die stimmen sich ab. Robert Jaspert hat immer Mitspracherecht, wenn es um die Integration von jungen Spielern geht. Es macht keinen Sinn, aus vier Fußballlehrern noch einen fünften zu machen und dann haben wir fünf sportliche Meinungen. Wir glauben, dass vier ausreichend sind. Nein, wir sind mit der Struktur, die wir haben, sehr zufrieden und ich glaube, dass es genug Modelle gibt, wo das gut funktioniert.
Mir kommt es darauf an, dass diese Entscheidungen von Menschen mit unterschiedlichen Kompetenzen getroffen werden. Dass der Sport natürlich die ganz wesentliche Komponente ist, ist ganz klar, aber die heutigen Entscheidungen bedürfen mehr als sportlicher Kompetenz.
Trotzdem bleibt die Situation: Ein Trainer mit festgelegtem Ablaufdatum, in der Politik nennt man das „lame duck“. Haben Sie nicht trotzdem ein bisschen Bedenken für die letzten drei Saisonspiele, dass die Spannkraft vielleicht doch nicht mehr ganz da ist dann?
Nein, erstmal glaube ich das nicht. Und wenn es so wäre, wäre es mir fast egal. Nicht weil ich die neun Punkte wegschenken will, beileibe nicht, das sind sehr wichtige Spiele für uns. Ich glaube, dass es einfach der Respekt und der Anstand notwendig macht, zumindest aus meinem Wertegerüst, dass man den Menschen der hier jahrelang gearbeitet hat, die Möglichkeit gibt, sich vernünftig zu verabschieden und ihn nicht vom Hof jagt.
Mir ist wichtig, und so schätze ich auch Uwe Neuhaus und die Spieler ein, dass sie die letzten drei Spiele im Umkehrschluss vielleicht sogar mit ein bisschen mehr, mit einem höheren Tick an Ehrgefühl anbieten werden auf dem Rasen. Nein, diese Angst habe ich nicht.
Das werden wir morgen Abend beobachten. Dirk Zingler, ich bedanke mich für das Gespräch.
Sehr gerne.